Bergmänner (Bundesknappschaft) (1950-51)
Erich Schmidtbochum (Bochum, 1913-1999)
Bochum
1950-51/1952
Bronze
Den Eingangsbereich des Knappschaftsgebäudes an der Pieperstraße flankieren zwei überlebensgroße, etwa drei Meter hohe Bergmannsfiguren. Links steht ein älterer, gebeugter Bergmann, rechts - ganz aufrecht - ein junger, starker Mann. Wie weit ist die Formensprache von der erst fünf Jahre vorher beendeten Zeit des Nationalsozialismus entfernt?
Die Figuren wurden von Erich Schmidt aus Bochum gestaltet, der seinen Namen 1937 in Schmidtbochum geändert hatte. Für den jungen Bergmann stand ein Kumpel von der Zeche Prinz-Regent Modell. Das Modell für den Alten im Schweißhemd war das Vorstandsmitglied der Ruhrknappschaft, Herr Weidlich.
Erich Schmidtbochum gestaltete 1949 auch das Grabdenkmal „Betender Bergmann“ für die Familiengrabstätte des Fabrikanten Alfred Eickhoff auf dem Bochumer Hauptfriedhof (Bronze, 2.60 Meter, Feld 23).
Eine weitere Bronzeplastik von Erich Schmidtbochum steht seit 2001 im Innenhof des Deutschen Bergbaumuseums in Bochum. Die Figur „Feierabend (Sitzender Bergmann)“ (etwa 1950) stand bis 1999 vor dem Wohnhaus des Künstlers in Wolfenbüttel und ging aus dem Nachlass an das Bergbaumuseum.
Interessant ist der Vergleich dieser nach dem Ende des Nationalsozialismus in Deutschland entstandenen Figuren mit Skulpturen, die bereits vor oder auch während der Zeit des Nationalsozialismus entstanden sind.
„Anders als bei der Malerei, wo mit der Aktion ‚Entartete Kunst‘ auf einen Schlag fast die gesamte Moderne beseitigt wurde, konnte der Nationalsozialismus bei der Plastik an eine bestimmte Kunstrichtung der Weimarer Zeit anknüpfen: So waren Bildhauer wie Georg Kolbe, Richard Scheibe und Fritz Klimsch schon vor 1933 als Künstler erfolgreich und fest in den Kunstbetrieb integriert.
...
Nach 1933 tritt bei diesen Künstlern eine gewisse Wandlung ein: Die Oberflächen ihrer Aktplastiken werden glatter, ein neues Pathos wird spürbar, insgesamt bleiben aber alle drei Bildhauer weitgehend beim Menschenmaß, was sie für die ‚großen Aufgaben der neuen deutschen Bildhauerei‘, der monumentalen Bauplastik, unbrauchbar macht.
Die Erfüllung dieser Aufgaben kommt einer anderen Gruppe von Bildhauern zu, deren bekannteste Arno Breker und Josef Thorak sind“
Tobias Hellmann: Haus der deutschen Kunst - Die Plastik im Nationalsozialismus.
Für Künstler wie Georg Kolbe bot sich in der Zeit des Nationalsozialismus eine Nische: Der bürgerliche Kunstmarkt
„der sich am Geschmack der frühen 1930er Jahren und dessen Tradition orientierte: Viele Künstler und bürgerliche Kunstliebhaber gingen offenbar auf Distanz zur Diktatur, indem sie sich auf ihre Ästhetik zurückzogen. ... Der ästhetische und idealistische Anspruch vieler Künstler und Kunstliebhaber erwies sich als Realitätsflucht.“
Wikipedia: Georg Kolbe, 1933-1947
Erich Schmidt stammte aus einer einfachen Bergmannsfamilie. Als 14-jähriger begann er eine Lehre bei dem Bochumer Bildhauer und Modelleur Otto Syrbe. Mit 16 Jahren besuchte er zusätzlich den Abendlehrgang für Bildhauer der Kunstgewerbeschule Dortmund. Mit 17 Jahren erhielt er die Zulassung zur Meisterklasse bei Professor Friedrich Bagdons. Im März 1934 bestand er die Staatliche Abschlussprüfung mit Auszeichnung. 1934 bis 1938 arbeitete er im Soester Atelier des Bildhauers Wilhelm Wulff (Dortmund/Soest).
Wilhelm Wulff gestaltete in Bochum das Schlagwettermal „Vereinigte Präsident“ für die Opfer des Grubenunglücks auf „Vereinigte Präsident“ im Jahr 1936.
1937 erhielt Erich Schmidt von der Stadt Bochum den Auftrag, zum 250. Geburtstag des Grafen Ostermann eine bronzene Portraitbüste des Grafen anzufertigen. Am 9. Juli 1937 wurde diese Büste im Rathaus feierlich aufgestellt.
Danach verlegte Erich Schmidt den Schwerpunkt seines Schaffens nach Bochum und fügte auf die ehrende Anregung der Stadt Bochum seinem Namen den Zusatz „Bochum“ hinzu, nannte sich also Erich Schmidtbochum. In der Nachkriegszeit war Erich Schmidtbochum ein weit über Bochums Grenzen hinaus bekannter und gefragter Künstler.
Nachdem Erich Schmidtbochum 1950 Wolfenbüttel kennengelernt hatte, warben das Niedersächsische Kultusministerium und der dortige Stadtdirektor Willy Mull um ihn und er entschloss sich 1954, nach Wolfenbüttel zu ziehen. In und für Wolfenbüttel erstellte er zahlreiche Plastiken, darunter die Nathanfigur am Lessinghaus und zuletzt 1978 den Wolf am Schlossplatz.
In Bochum gestaltete Erich Schmidtbochum 1956 noch den Brunnen vor dem neuen Verwaltungsgebäude der WEDAG (Westfalia Dinnendahl Gröppel AG) an der Herner Straße. Eine Gruppe von sieben Fischen bildete eine etwa 1,40 m hohe monumentale Bronzeplastik.
Die Knappschaft ist die Sozialversicherung der Bergleute. Ursprünglich regional gegliedert, hatten sich drei Knappschaftsvereine im Ruhrgebiet am 1. Juni 1890 zum Allgemeinen Knappschaftsverein zu Bochum verbunden. Der rasant expandierende Bergbau im Ruhrgebiet führte zu ständig steigenden Mitgliederzahlen mit entsprechender Ausdehnung der Verwaltungsaufgaben. 1909 waren bereits 348.000 Bergarbeiter mit ihren Familien zu betreuen. Deshalb entschloss sich die Knappschaft schließlich zum Bau eines neuen Verwaltungsgebäudes. Clemens Erlemann, der Erfinder des Ehrenfelds, stellte dazu 1904 ein Grundstück im Ehrenfeld kostenlos zur Verfügung.
Es sollte ein hochmodernes, repräsentatives, technisch perfektes Verwaltungsgebäude entstehen. Anfang 1908 begannen die Bauarbeiten. Das Äußere des Gebäudes entsprach mit seiner barocken Opulenz vollständig der historistischen Formensprache des Kaiserreichs. Die Hauptfront wurde um 18 m zurückgesetzt. Das betonte die Monumentalität des zu dieser Zeit mit Abstand größten Bochumer Gebäudes. Davor lag ein repräsentativer Vorplatz mit Brunnen und Auffahrt. Besuchern, die sich über die direkt auf den Haupteingang zuführende Christstraße näherten, eröffnete sich so ein eindrucksvolles Bild.
Zwei Türme symbolisierten den paritätischen Charakter der Knappschaft. Im Südturm waren die Beratungszimmer der Werksvertreter, im Nordturm saßen die Versichertenvertreter. Dazwischen lag der große Sitzungssaal mit dem vorgelagerten Balkon.
Das Rückgrat bildete ein vom Keller bis zum Dachgeschoss durchlaufender Aktenspeicher mit 400.000 Fächern für bis zu 3 Mio. Akten, die über Aufzüge an die Arbeitsplätze gebracht werden konnten. Außerdem hatte das Haus drei verschiedene Heizungssysteme, Fahrstühle, eine Telefon- und Feuermeldeanlage, Tresore, eine „Wächterkontrollanlage“, eine Uhrenanlage mit Signalfunktion zur Anzeige von Arbeitsbeginn und -ende, eine Rohrpost sowie im Aktenspeicher eine automatische Entstaubung.
Die künstlerische Gestaltung des Eingangsbereichs, der Flure, Treppenaufgänge und Repräsentationsräume umfasste zahlreiche Skulpturen und Bergmannsfiguren, Wandmalereien, Ansichten der Knappschafts-Krankenhäuser, Buntglasfenster und Holzvertäfelungen.
Das Gebäude wurde am 18. Juni 1910 eingeweiht.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude bei dem Angriff am 4. November 1944 weitgehend zerstört. Bereits 1946 begannen die Planungen zum Wiederaufbau. Um die Mittelbetonung des Gebäudes zu erhalten, entschieden sich die Verantwortlichen für den heute vorhandenen achtstöckigen Turm. Am 24. Oktober 1952 wurde das neue Gebäude der Ruhrknappschaft nach rund sechsjähriger Bauzeit eingeweiht.
Standort:
Pieperstraße 14-28
44789 Bochum
Siehe auch:
Betender Bergmann
Fischbrunnen
Schlagwetter-Mal Vereinigte Präsident
Knochen-Karl
Schaffender Mensch
Nachlesen:
Wikipedia: Erich Schmidtbochum
bochum.de: Gerhard Kaufung, Der Bildhauer Erich Schmidtbochum
Wolfenbuetteler Zeitung: Der Erschaffer des Nathans und des Wolfs (8.6.2012)
Historisches Ehrenfeld: Dietmar Bleidick, Geschichte der Knappschaft
Haus der deutschen Kunst: Die Plastik im Nationalsozialismus
Der Alte und der Junge. Ruhrknappschaft stellt Plastiken auf. (WAZ 15.7.1952)
Heinz Mollenhauer: Der Kunstbildhauer Erich Schmidtbochum. Braunschweig 1964.