artibeau : kunst in bochum - umsonst und draußen

Plastik Finanzamt Mitte (1969/73)

Position in Karte zeigen (Neues Fenster).

Erich Reusch (*1925)
1969/73
CorTen-Stahl

Die vierteilige unbetitelte Stahlplastik aus CorTen-Stahl vor dem Finanzamt Bochum-Mitte wurde für den Neubau des Finanzamts Mitte 1969/73 von Erich Reusch entworfen und installiert. Die Vorüberlegungen reichen zurück bis in das Jahr 1956.

Die Skulptur besteht aus drei Dreiecksformen und einem hohen aufgerichteten T-Träger. Zwei der Dreiecke sind aus Stahlplatten geschnitten, das dritte ist aus T-Profilen zusammengesetzt. Die Elemente stehen parallel zueinander und zum Hauptflügel des Gebäudes.

Die Plastik ist die zweite im öffentlichen Raum realisierte Arbeit von Erich Reusch und ist gleichzeitig ein frühes - wenn nicht das erste - Beispiel für die Verwendung von CorTen-Stahl in der öffentlichen Plastik.

„Reusch hat diese Elemente so aufgestellt, dass sie für die Hauptblickrichtung von der Straße her im Profil, d.h. als Linien erscheinen und folglich ohne Störung die Sicht auf die Architektur freigeben. Über die ansteigenden Hypothenusen leiten Dreiecke den Blick nach oben. Von der Seite gesehen entfalten sich Flächen und bieten dem Auge Widerstand. Körperlichkeit wird in den T-Profilen angedeutet.“
(Bernhard Kerber, Erich Reusch, 1977)

Im Vorübergehen verändern sich die Positionen der Teile zueinander, es entsteht eine scheinbare, relative Bewegung. Die Plastik ist eine räumliche Installation.

„Gravitation“ ist der Begriff, mit dem Reusch versucht, das Geschehen im Raum zu erfassen. Es geht um die Verdichtung und Auflösung der Wechselwirkung von Körpern, Linien, Flächen und Farben im tendenziell unbegrenzten, „kosmischen“ Raum. Reusch sagt: „Ich erlebe das.“

„Wenn ich eine Anzahl Münzen liegen sah, dann fielen mir immer andere Konstellationen ein, Konstellationen, die sich verändern ließen. Das war ein Prozess, der mich gefangen gehalten hat und dem ich gefolgt bin.“

„Man könnte ihn einen Visionär der Sensibilität nennen.“ (Jürgen Harten). Reusch möchte „Einzelphänomene der außerästhetischen Wirklichkeit für die Erfahrung zugänglich machen“. „Durch die Arbeiten von Erich Reusch wird Raum als unbegrenztes Raumkontinuum zum Erfahrungsinhalt.“ (Clara Weyergraf)

Reuschs Arbeiten, die ein unsinnliches Phänomen erfahrbar machen sollten, wurden von Publikum und Kritik lange als trivial empfunden.

Erich Reusch: „Ab 1956 war für mich klar, dass Plastik nicht als isoliertes Objekt innerhalb des Raumes existieren sollte. ... Meine prinzipielle Absicht ist es, begrenzten Raum nicht durch eine Form zu verstellen, und zu beengen, sondern die Grenzen der räumlichen Gegebenheit durch eine Plastik zu erweitern.“ (Im Gespräch mit Max Imdahl, 1976)

Nicht nur anekdotischen Charakter hat die Tatsache, dass Reusch passionierter Segelflieger ist und schon immer „am liebsten auf dem Kopf“ geflogen ist.

Erich Reusch arbeitete von 1953 bis 1964 als Architekt in Düsseldorf. Seit 1964 widmete sich Reusch ganz dem plastischen Werk, das oft architektonische Züge trägt oder in engem Verhältnis zur Architektur steht:

Reuschs monumentale Stahl- und Eisenskulpturen korrespondieren im öffentlichen Raum immer mit neu gebauter Architektur. Sie zäsieren den prinzipiell unbegrenzten Raum, definieren Blickachsen neu. Sie verorten und strukturieren Eingangs- und Platzsituationen in Hinblick auf den Betrachter, den Flaneur und den Benutzer.
(virtuelles museum moderne nrw)

Ab 1973 war Reusch zunächst Dozent, ab 1975 bis 1990 Professor für die „Integration Bildende Kunst und Architektur“ an der Kunstakademie in Düsseldorf.

Erich Reusch ist zugleich Architekt und Bildender Künstler. Seine Werke sind von der Auseinandersetzung mit dem Raum geprägt. Sie eröffnen die Möglichkeit eines bewussten Raumerlebens. Reusch geht es nicht um das Objekt selbst, sondern um die Erfahrung, die es auslöst. Es geht ihm um die Definition des Raums: durch einzelne Elemente, durch deren Position und Anordnung, erfährt das offene, unstrukturierte Raumfeld Organisation und Formung. (Galerie m Bochum)

Standort:
Finanzamt Bochum-Mitte
Castroper Straße 40
44791 Bochum

Siehe auch:
Eingang Blumenfriedhof
Wasserrelief (Forumsbrunnen)
Nasse Augen
ohne Titel (Winkel CorTenStahl)
Plastik Frankfurt
Erich Reusch, ohne Titel (MuT) (2015)

Nachlesen:
Wikipedia: Erich Reusch
m-bochum: Erich Reusch
virtuelles museum moderne nrw: Erich Reusch
Erich Reusch: Homepage

Literatur:
H. Dieter Jorissen: Raum erfahren. Architekt, Bildhauer, Segelflieger, in: VDI-Nachrichten, 25, 1972, S. 17.
Erich Reusch : Städtische Kunsthalle Düsseldorf, 4. Juni bis 11. Juli 1976, Katalog in drei Heften.
 Heft 1: Clara Weyergraf über Erich Reusch.
 Heft 2: Aus zwei Gesprächen zwischen Max Imdahl und Erich Reusch.
 Heft 3: Fotodokumentation der Ausstellung.
Bernard Kerber: Erich Reusch, Hildesheim 1977.
Erich Reusch, Arbeiten 1954 - 1998 : Kunstmuseum Bonn, 29. Januar bis 22. März 1998. Katalog, 176 Seiten.

...vorheriges | zurück | nächstes...

 Zur vorhergehenden Seite

Chronologie 1973-2011

1973  Die letzte Zeche in Bochum wird stillgelegt (Hannover/Hannibal)

1973  Die erste Ölkrise gipfelt in Sonntagsfahrverboten.

1973  Es gibt einen Anwerbestopp für Gastarbeiter außerhalb der EG.

1974  Erste S-Bahnen fahren im Revier (S1, S3)

1976  Erste Tempo-30 Zone in Bochum auf Betreiben einer Bürgerinitiative.

1977  Terminal von Richard Serra auf der documenta 6 in Kassel. Von Bochum gekauft, 1979 aufgestellt.

1979  Ruhrstadion (Rewirpower-Stadion) eröffnet.

1979  Claus Peymann wird als Nachfolger von Peter Zadek für sieben Jahre Intendant in Bochum.

1980  Der Kemnader Stausee wird freigegeben.

1980  Der RVR veranstaltet den ersten „Tag des Radfahrens“ im Revier.

1983  Hausbesetzungen im Heusnerviertel gegen den Abriss für den Außenring.

1984  Das Album „4630 Bochum“ macht Herbert Grönemeyer (und Bochum) zum Star.

1986  Erstmals „Bochum Total“. Das Festival entwickelt sich zum größten kostenlosen Rock-Pop-Festival in Europa.

1988  Starlight Express startet in Bochum.

1989  Die U35 zwischen Herne und Bochum Hbf ist fertig. Länge: 10 km. Bauzeit: 20 Jahre. Kosten: 800 Mio. DM.

1993  Die „Unabsteigbaren“ vom Vfl Bochum müssen erstmals in die Zweite Liga. Der Vfl wird zur „Fahrstuhlmannschaft“.

1995  Das Deponie-Block-Heizkraftwerk an der Zentraldeponie Kornharpen geht ans Netz .

1999  Nach dreiundvierzig Jahren verliert die SPD in Bochum die absolute Mehrheit. Bochum wird rot-grün.

2002  RuhrCongress Bochum mit Renaissance Bochum Hotel fertiggestellt.

2002  Erste Ruhrtriennale (2002-2004) unter Gründungsintendant Gerard Mortier.

2003  Eröffnung der revitalisierten Jahrhunderthalle Bochum, ein Stück „Transformationsarchitektur“.

2007  Einweihung der neuen Synagoge.

2008  Im Januar wird die Schließung des Nokia-Werks Bochum bekannt gegeben, es wird im Mai geschlossen.

2009  Opel steht auf der Kippe. 1800 von 6000 Arbeitsstellen werden abgebaut.

2010  Das Ruhrgebiet ist Kulturhauptstadt Europas.

2011  Die Stadt Bochum reißt ihre einzige Hajek-Plastik ab.

2011  Altmetalldiebe stehlen in Duisburg und Mülheim tonnenschwere Skulpturen.

Nächstes Pfeil